Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Vogelschutzgebiet Lahntal zwischen Marburg und Gießen“ Vom 28. Juni 2006

 

Aufgrund des § 16 Abs. 2 und des § 17 Abs. 1 des Hessischen Naturschutzgesetzesin der Fassung vom 16. April 1996 (GVBl. I S. 145), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. November 2005 (GVBl. IS. 769), wird — nachdem den nach § 29 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 3. April 2002 geltenden Fassung anerkannten Naturschutzverbänden und den nach § 35 Abs. 1 des Hessischen Naturschutzgesetzes zu beteiligenden Verbänden Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde — verordnet:

 

§ 1 Lage und Abgrenzung

 

(1) Die weitläufige Auenlandschaft der Lahn zwischen Niederweimar und Odenhausen einschließlich des Mündungsbereiches der Zwester Ohm und eines Teiles der Allna wird in den Grenzen, die sich aus der in Abs. 3 genannten Abgrenzungskarte ergeben, zum Landschaftsschutzgebiet „Vogelschutzgebiet Lahntal zwischen Marburg und Gießen“ erklärt.

 

(2) Das Landschaftsschutzgebiet „Vogelschutzgebiet Lahntal zwischenMarburg und Gießen“ hat eine Größe von zirka 743 ha. Die örtliche Lage des Landschaftsschutzgebietes ergibt sich aus der als Anlage 2 zu dieser Verordnung veröffentlichten Übersichtskarte im Maßstab 1: 50 000.

 

(3) Die Grenzen des Landschaftsschutzgebietes sind in der Abgrenzungskarte im Maßstab 1: 10 000 festgelegt. Das Landschaftsschutzgebietist mit einer unterbrochenen schwarzen Linie umrandet und ockerfarben unterlegt. Die Karte ist Bestandteil dieser Verordnung (Anlage 1). Sie wird vom Regierungspräsidium Gießen— obere Naturschutzbehörde —, Schanzenfeldstraße 12, 35578Wetzlar, archivmäßig verwahrt. Abschriften dieser Karte befindensich bei den Kreisausschüssen — untere Naturschutzbehörden —597 des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Im Lichtenholz 60, 35043 Marburg und des Landkreises Gießen, Ostanlage 33—45, 35390 Gießen. Die Karten können während der Dienststunden bei deroberen und den genannten unteren Naturschutzbehörden von jedermann eingesehen werden.

 

(4) Die von den in den Karten dargestellten Grenzlinien abgedeckten Flächen sind nicht Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes.Soweit die Abgrenzung Straßen, Wegen oder Schienenwegen folgt, gehören diese nicht zum Landschaftsschutzgebiet. Folgt die AbgrenzungGewässern, gehören diese zum Landschaftsschutzgebiet.

 

(5) Das Landschaftsschutzgebiet ist an den Außengrenzen durch amtliche Schilder gekennzeichnet.

 

§ 2 Schutzzweck und Erhaltungsziele

 

(1) Zweck der Unterschutzstellung ist es, die Lebensräume und Lebensstätten derjenigen im Gebiet vorkommenden Vogelarten zuerhalten und wiederherzustellen, die unter Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 79/409 EWG des Rates vom 2.April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie)(ABl. EG Nr. L 103 vom 25. April 1979 S. 1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt der Tschechischen Republik, Estlands, Zyperns, Lettlands, Litauens, Ungarns,Maltas, Polens, Sloweniens und der Slowakei (2003) (ABl. EG Nr.L 236 vom 23. September 2003, S. 667), fallen, um ihr Überleben und ihre Vermehrung zu sichern. Dies gilt für die Arten Singschwan,Zwergdommel, Silberreiher, Fischadler, Wiesenweihe,Kornweihe, Rohrweihe, Merlin, Wachtelkönig, Tüpfelsumpfhuhn,Goldregenpfeifer, Mornellregenpfeifer, Bruchwasserläufer,Kampfläufer, Flussseeschwalbe, Küstenseeschwalbe, Trauerseeschwalbe,Sumpfohreule, Eisvogel, Neuntöter, Heidelerche, Blaukehlchen,Brachpieper und Ortolan.

 

(2) Schutzzweck ist ferner der Schutz der Lebensräume als Vermehrungs-,Mauser- und Überwinterungsgebiet sowie als Rastplatz für regelmäßig wandernde Vogelarten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie. Dies gilt für die Arten Krickente,Knäkente, Reiherente, Zwergtaucher, Schwarzhalstaucher,Wasserralle, Kiebitz, Flussregenpfeifer, Sandregenpfeifer, Zwergschnepfe,Bekassine, Flussuferläufer, Dunkler Wasserläufer,Rotschenkel, Grünschenkel, Waldwasserläufer, Wendehals, Beutelmeise,Uferschwalbe, Schilfrohrsänger, Braunkehlchen,Gartenrotschwanz, Wiesenpieper und Grauammer.

 

(3) Erhaltungsziele im Gesamtgebiet mit seiner besonderen Bedeutung als Brut-, Vermehrungs-, Rast- und Überwinterungsgebietsind:— die Erhaltung hoher Grundwasserstände in den Brut-, Rast undNahrungshabitaten für die Arten Singschwan, Wachtelkönig,Rohrweihe, Kampfläufer, Sumpfohreule, Kiebitz, Zwergschnepfe,Bekassine, Dunkler Wasserläufer, Rotschenkel und Wiesenpieper— die Erhaltung störungsarmer Brut-, Rast- und Nahrungshabitate in landwirtschaftlich, jagdlich, fischereilich, forstwirtschaftlich,abbaubedingten sowie für Erholungszwecke genutzten Bereichen während der Brut-, Rast- und Überwinterungsperioden für die Arten Singschwan, Silberreiher, Fischadler,Wiesenweihe, Rohrweihe, Wachtelkönig, Goldregenpfeifer,Mornellregenpfeifer, Bruchwasserläufer, Kampfläufer,Flussseeschwalbe, Eisvogel, Blaukehlchen, Krickente, Knäkente,Reiherente, Zwergtaucher, Kiebitz, Flussregenpfeifer,Sandregenpfeifer, Bekassine, Flussuferläufer, Dunkler Wasserläufer,Grünschenkel, Waldwasserläufer, Beutelmeise,Uferschwalbe und Schilfrohrsänger— die Erhaltung einer weitgehend natürlichen Auendynamik zum Schutz vorhandener Altwässer, Flutgerinne, Restwassermulden,Uferabbrüche, Kies-, Sand- und Schlammbänke und zur Ermöglichung der Neubildung dieser Lebensräume für die Arten Bruchwasserläufer, Eisvogel, Blaukehlchen, Brachpieper,Flussregenpfeifer, Sandregenpfeifer, Flussuferläufer, Dunkler Wasserläufer, Grünschenkel und Waldwasserläufer— die Erhaltung von Weichholzauenwäldern, Röhrichten und Seggenrieden mit großflächig seichtem Wasserstand für die Arten Zwergdommel, Rohrweihe, Wasserralle, Waldwasserläufer,Beutelmeise und Schilfrohrsänger— die Sicherung eines ausreichenden Wasserstandes an den Brutgewässern zur Brutzeit und Schutz der Gewässer vor Nähr und Schadstoffeinträgen für die Arten Zwergdommel, Silberreiher,Flussseeschwalbe, Knäkente, Zwergtaucher, Schwarzhalstaucher und Schilfrohrsänger— die Erhaltung von Schotter-, Kies- und Sandbänken sowie offenen Rohböden und Flachgewässern an Sekundärstandorten wie zum Beispiel Abbaugebieten im Rahmen einer naturnahen Dynamik für die Arten Flussseeschwalbe, Schwarzhalstaucher und Grünschenkel— die Erhaltung von Stillgewässern mit breiten Flachuferzonen und einer reichen Unterwasser- und Ufervegetation für die Arten Singschwan, Zwergdommel, Tüpfelsumpfhuhn, Bruchwasserläufer,Kampfläufer, Küstenseeschwalbe, Trauerseeschwalbe,Krickente, Knäkente, Reiherente, Zwergtaucher,Schwarzhalstaucher, Wasserralle und Zwergschnepfe— die Erhaltung strukturreicher Brut- und Nahrungshabitate mit Brachen, Gräben, Rainen, Hoch- und Nassstaudenfluren,Hecken, Feldgehölzen, Auwaldresten, Ackersäumen, Ödlandflächen,Streuobstwiesen, Graswegen, Wiesen und Weiden für die Arten Wachtelkönig, Neuntöter, Heidelerche, Brachpieper,Ortolan, Wendehals, Braunkehlchen, Gartenrotschwanz und Grauammer— die Erhaltung strukturreicher Grünlandhabitate durch Beibehaltung oder Wiedereinführung einer traditionellen Grünlandbewirtschaftung für die Arten Rohrweihe, Goldregenpfeifer,Kampfläufer, Neuntöter, Blaukehlchen, Kiebitz, Bekassine,Rotschenkel, Wendehals und Braunkehlchen— die Erhaltung von Feuchtgrünland, insbesondere von Flächen mit traditionellem Mahdrhythmus und gestaffelten Mahdzeitpunkten für die Arten Singschwan, Wachtelkönig, Sumpfohreule,Wasserralle, Kiebitz und Rotschenkel— die Erhaltung von offenen und weiträumigen Gebietsteilen für die Arten Wiesenweihe, Kornweihe, Merlin, Goldregenpfeifer und Mornellregenpfeifer.

 

§ 3Verbote

 

(1) Im Geltungsbereich dieser Verordnung ist es verboten, Handlungen vorzunehmen, die die Lebensräume der Vögel oder die Vögel selbst beeinträchtigen und dem Schutzzweck des § 2 erheblich zuwiderlaufen können.

 

(2) Handlungen im Sinne von Abs. 1 sind:

1. den in § 2 Abs. 1 und 2 genannten Vögeln nachzustellen, sie zufangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen,Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtsstätten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören;

2. die in § 2 Abs. 1 und 2 genannten Vögel an ihren Nist- Brut-,Wohn- oder Zufluchtsstätten durch Aufsuchen, Fotografieren,Filmen oder ähnliche Handlungen zu stören;

3. die in § 2 Abs. 1 und 2 genannten Vögel mutwillig zu beunruhigen oder ihre Laute nachzuahmen;

4. Hunde unangeleint laufen zu lassen.

 

(3) Verboten sind auch Handlungen im Sinne des Abs. 2 außerhalb des Geltungsbereichs dieser Verordnung, die in das Gebiet hineinwirken können und den Schutzzweck erheblich beeinträchtigen können.

 

(4) Die Verbote nach Abs. 2 und 3 gelten nicht für:

 

1. Vorhaben und Maßnahmen, die einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige bedürfen oder von einer Behörde durchgeführt werden;

2. die bisher rechtmäßig ausgeübte und in dieser Verordnung nicht geregelte Nutzung der Grundstücke, Wege, Straßen,Bahnanlagen, Gewässer, Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Nutzung der rechtmäßig bestehenden Einrichtungen in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang sowie deren Unterhaltung und Instandsetzung;

3. die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung im Sinne einer guten fachlichen Praxis, die ordnungsgemäße forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung sowie die Ausübung der Jagd;

4. Maßnahmen aufgrund einer Verkehrssicherungspflicht, soweit es keine andere angemessene, zufrieden stellende Lösung gibt und die Maßnahmen auf das zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht erforderliche Maß beschränkt bleiben;

5. Maßnahmen, die unmittelbar mit der Verwaltung des Landschaftsschutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind.

 

§ 4Maßnahmenplanung

Für das Gebiet wird ein Maßnahmenplan aufgestellt, in welchem die zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes geeigneten Maßnahmen aufgeführt sind. DieserPlan wird in geeigneter Form veröffentlicht.

 

§ 5 Ermächtigung zur Anordnung in Einzelfällen

Die zuständige Naturschutzbehörde ergreift oder veranlasst die nötigen Maßnahmen, um erhebliche Störungen oder Beeinträchtigungen zu unterbinden oder zu beseitigen, soweit vertragliche Regelungen nicht bestehen oder vertragliche Verpflichtungen verletzt werden und die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustandes gefährdet ist.

 

§ 6 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 43 Abs. 3 Nr. 10 des HessischenNaturschutzgesetzes handelt, wer im Landschaftsschutzgebiet vorsätzlich oder fahrlässig

1. eine in § 3 Abs. 2 dieser Verordnung verbotene Handlung vornimmt,sofern diese Handlung nicht in § 3 Abs. 4 dieser Verordnung oder durch Befreiung nach § 30b des Hessischen Naturschutzgesetzes zugelassen wurde;

2. einer von der Naturschutzbehörde nach § 5 dieser Verordnung getroffenen vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt.

 

(2) Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 können nach § 43 Abs. 4 des Hessischen Naturschutzgesetzes mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro geahndet werden.

 

§ 7 Bestehende Schutzgebiete

Soweit für die innerhalb dieses Landschaftsschutzgebietes liegenden Natur- und Landschaftsschutzgebiete „Lahnaltarm vonBellnhausen“, „Auenverbund Lahn-Ohm“ und „AuenverbundLahn-Dill“ in den entsprechenden Verordnungen schärfere Regelungen gelten, kommen diese zur Anwendung.

 

§ 8 In-Kraft-Treten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Gießen, 28. Juni 2006 Regierungspräsidium Gießen

gez. S c h m i e d

RegierungspräsidentStAnz. 29/2006 S. 1520